Freitag, 13. Januar 2012
Hat jemand die Gardenroute versteckt?
Ich muss mich bei Deutschland und meinen ICE- Fenstern entschuldigen. Was sich dahinter abspielt kann an den meisten klaren Tagen locker mit der südafrikanischen Gardenroute mithalten.
Jetzt kann man natürlich einwenden, dass ich die ganze Zeit geschlafen hätte. Dass ich aus anderen Gründen schlecht drauf gewesen sein könnte. Dass der Bus eine ganz andere Strecke gefahren ist. Oder dass ich einfach keinen Geschmack habe. Wahrscheinlich stimmt alles ein bisschen, aber alles nicht ausreichend genug, um in irgendeiner Weise rechtfertigen zu können, warum die Südafrikaner so stolz auf diese "Route" sind.
Ich denke es liegt daran, dass sie selbst meistens nur so weit fahren. Es denen darüber hinaus einfach zu heiß wird. Oder weil es so schön europäisch aussieht? Oder es wurde zur WM erfunden, damit alle in der Nähe von Kapstadt bleiben. Eine große Marketingverschwörung vielleicht?

Aber von vorne. Ich bin mit meinem Taxi also zum Busbahnhof, der um diese Zeit noch keinen Ort hergab an dem man einen Kaffee hätte erstehen können. Das ist kein guter Start, aber vielleicht auch zuviel verlangt. Der Ticketschalter funktioniert allerdings einwandfrei und zügig. Bei solchen Vorgängen muss ich sagen, dass das den deutschen Standard eher übertrifft. Ebenso wie der Zustand der meisten Straßen. Was mich wieder dazu bringt, dass in Deutschland mal langsam die Maut eingeführt werden müsste. Aber das hat nun wirklich nicht viel mit der Gardenroute zu tun. Der Bus startet pünktlich. Auch kein deutscher Standard.

Dann geht es los. Ja, was geht eigentlich los? Es ist eine ganz normale Busfahrt und auch wenn ich schon gar nicht viel erwartet habe, so ein ganz kleines bisschen dachte ich schon es käme was besonderes. Ein bisschen nettes. Ab da wo die Gardenroute startet doch zumindest. Wobei ich sagen muss, dass das Rausfahren aus der Stadt eleganter war.
Okay. Da war dann vor allem viel grün. Aber nicht so viele Blumen, wie man sich so einen Garten durch den man fährt malen würde. Der deutlichste Hinweis auf den Ort sind die Schilder die mir mehrfach versichern, dass das die N2 und die Gardenroute ist. Am spektakulärsten findet mein europäisches einfältiges und vermutlich ignorantes Ich ein paar Strauße am Straßenrand. Auf ungefähr einem der über 450 Kilometer.

Und dann bin ich erst in Knysna! Selbst der Typ der mich vom Bus abholt rät mir so schnell wie möglich in den Wald oder ans Meer zu gehen. Knysna is all about it's surroundings. Aha. Macht ja Sinn. Aber ich habe immer noch kein Auto und das passt nicht richtig in meinen Zeitplan.

Deswegen versuche ich einfach zu schlafen. Das erste Mal wieder in einem Backpacker. Der wurde vom Lonely Planet empfohlen und langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich grundsätzlich alles was im LP über Südafrika steht meiden sollte. Quasi die Positivliste als Negativ sehen. Ich erinnere mich daran, dass wir das damals auch schon mal gemacht haben. In dem Versuch etwas abgelegener zu reisen und nicht immer die gleichen Gesichter zu sehen. Aber das ist 12 Jahre her und der LP über Indien hat mir auch gute Dienste geleistet. Einzuräumen ist lediglich, dass der LP zu Afrika versucht zu allen afrikanischen Ländern etwas zu schreiben (und deswegen Annes Cutter zum Opfer gefallen ist, damit ich nicht so viel tragen muss). Da kann man schon mal das beste Bistro mit dem langweiligsten verwechseln. Oder die Gardenroute mit einer echten Attraktion…

Zwei Ratgeber aus Deutschland wussten mir auch schon zu sagen: Schnell dran vorbei fahren, braucht man nicht viel Zeit für. Das kann ich nur unterstreichen.

So schnell verlasse ich dann auch Knysna wieder.
Nach einer lustigen Geschichte, in der ich mich im Bikini aus meinen als Einzelzimmer gemietetem Dorm ausschließe und eine Mitarbeiterin nach den verzweifelten Versuchen meine Tür aufzubrechen sich durch das Fenster Zugang und mir meine Klamotten zurück verschafft. Und nach der Erkenntnis, dass Südafrika im Sommer ein sehr, sehr heißes Land ist, in dem man sich immer mehrfach versichern sollte, dass die Zimmer wenigstens einen Ventilator haben. Vor allem wenn man tagsüber schlafen möchte, weil es im Bus dazu keine Gelegenheit gab. Dort werden bei Translux nämlich alle Passagiere mit christlichen Missionierungs-Promo-Pseudo-Drama-Spielfilmen belästigt. Und ich reise immer noch ohne funktionierenden MP3-Player, und fluche. Fluche weil ich mein iPhone vermisse, und fluche gegen die Filme in denen alle die ganze Zeit beten. Quasi als Gegengewicht. Das scheint mir hier deutlich aus den Fugen.

Und so bin ich auch sehr froh, als man mich morgens aus der (Gemeinschafts-)Dusche holt, um mir zu eröffnen, dass eine nette Lady gerade dabei ist nach Port Elizabeth aufzubrechen. In ihrem Auto! Halleluja! So schnell habe ich noch nie gepackt. Sie verspricht mir, dass wir nicht über Gott reden müssen (sie ist noch nicht mal Christin). Wunderbar! Mavis ist ziemlich gut drauf und voller Tatendrang. Eine schwarze Dame mittleren Alters mit vier erwachsenen Kindern. Sie gibt momentan Unterricht in Knysna für Leute die sich zu so etwas wie Pflegern ausbilden lassen. Außerdem gibt sie aber auch Kurse zu Aids, Kurse zu Management, Selbstdarstellung und zu erster Hilfe - alle Level. Jetzt will sie noch eine NPO gründen und den ganzen Leuten die vor ihrem Viertel rumhängen und auf Arbeit warten, Handarbeit verschaffen. Damit sie sich nicht so langweilen. Und auch damit sie sich selbst ein bisschen helfen können. Mavis findet Suppenküchen doof. Sie will die Leute nicht füttern, sie will das sie was dafür tun. Klar, pragmatisch, richtig. Keine Frage. Leider weiß sie gar nicht wie das geht und wie man jetzt an Gelder kommt. Ich schlage ihr einen Kurs vor, aber ich bin nicht sicher ob sie mich versteht. Lachen tun wir auf jeden Fall beide. Neulich hat sie jemand angerufen, aber sie hat die nicht verstanden. Vielleicht seien das Deutsche gewesen. Ob das nicht sein könnte. Fragt sie mich. Schließlich bin ich als Deutsche Expertin für alle europäischen Verbindungen. Falls es europäische waren. Leider weiß ich es nicht, und auch nicht wie man jetzt von einem Mietwagen zwischen Knysna und PE an Fördermittel aus Deutschland kommen könnte. Ich fange an ihr von der deutschen und auch europäischen Bürokratie der Förderungen zu erzählen, lasse es aber schnell. Vielleicht hat ja wirklich jemand aus Deutschland angerufen. Kann doch sein. Ich habe auf jeden Fall jetzt auch ihre Nummer. Vielleicht rufe ich sie ja mal an und weiß dann mehr.

Jetzt bin ich in Port Elizabeth. Der Endstation der Gardenroute. Und wie könnte es nach den bisherigen Beobachtungen anders sein: Genauso fühlt es sich auch an.
PE ist so schlicht, so einfach, so gewöhnlich, dass noch nicht mal ich es schaffe mich darin zu verlaufen. Und das enttäuscht mich ehrlich. Aber auch hier gilt, was schon für die vorangegangenen Zeilen gilt. Ich habe sicher kein umfassenden Recht das zu beurteilen. Denn ich habe ja kein Auto. Alles hier fühlt sich an wie eine Kleinstadt in Florida. Die Trailerparks fehlen. Aber eins ist genau gleich: Ohne Auto ist man gar nichts. Sieht man gar nichts. Macht man gar nichts. Heute bin ich 20 Minuten durch die Sonne (nach einem Sturm mit Blitz und Regen gestern Abend ist es heute wenigstens bedeckt und nicht ganz so mörderisch heiß) gelaufen, um an einer Strandpromenade ein Café zu finden. Um dort etwas schlechtes zu essen. Wäre ich bloß im Hotel geblieben! Das ist nämlich nett. Mehr ein Einfamilienhaus mit Gästezimmeranbau, aber einem Garten, einem Pool und mittelprächtigem Internet. Aber zum netten Ehepaar und noch ein paar wenigen Gästen gehören eine Katze und ein Hund. Und ein Hund macht ja bekanntlich jeden Garten besser. So fühle ich mich auf meiner kleinen Terrasse wohl und habe den Ort gefunden den ich brauche um die nächsten Schritte vorzubereiten. Mehr als das und einen Supermarkt (zu dem ich von Margarete der Besitzerin hingefahren wurde) hatte ich von PE gar nicht wirklich erwartet. Damit sind wir wahrscheinlich quitt. Port Elizabeth und ich.

Nichts an diesem Ort inspirierte zu Bildern. Deswegen gibt es auch keine.

geschrieben am 12.01.2012

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