Mittwoch, 4. Januar 2012
Transfer
Transfer ist immer komisch. Zwischenlanden. Ohne oder mit Gepäck. Irgendwie gestrandet in dem Meer aus Reisenden.

Der letzte Sonnenaufgang in Indien war schön. Vom Taxifenster aus auf den letzten Metern und dann vom Flughafenfenster aus. Auch die Taxifahrt war wieder unterhaltsam. Dieses Mal wollte der Fahrer wissen wie viel eine durchschnittliche Gasrechnung einer deutschen Familie kostet und wie viele mit Gas und wie viele mit Öl heizen. Und ob man das auch an der Tankstelle bekommt. Inder sind sehr neugierig mit großem Interesse für komische Dinge.

Dann fing die Ineffizienz wieder mit eindrucksvollem Ausmaß an. Vom Check-in an gab es mindestens 20 Kontakte die meinen Pass, meine Bordkarte, beides, oder irgendwas anderes was gar nicht da war, weil ich nämlich keine Inderin bin, checken wollten. Am sinnlosesten erschien mir der vorletzte Check von einem Mann in Warnweste, der so aussah wie die die bei uns das Gepäck hin und her fahren, zwischen dem Einlass in den Flugzeugzubringer und direkt vor der Dame die mir meinen auch noch schlechten Sitz zeigte. Und die Entscheidung war nicht leicht. So würde es mich auch überhaupt nicht überraschen, wenn wir bald in den Zeitungen lesen könnten, dass entweder indische Flughäfen nicht mehr angesteuert werden können, weil die Kosten für das Bodenpersonal zu hoch sind, oder dass Flughafenangestellte in Indien nur eine groß angelegte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sind und deswegen der indische Staat bald auch pleite ist. Am wahrscheinlichsten bleibt aber alles wie bisher: die Arbeiten bekommen fast nichts, stehen dafür aber wenigstens irgendwo rum und fast alle sind zufrieden. Bis auf die Arbeiter vielleicht und die staunenden Reisenden.

Oja, das wollte der Taxifahrer auch wissen. Ob wir die Krise mit dem Euro in den Griff kriegen. Tja, kriegen wir? Und ich stelle angenehm überrascht fest, dass ich schon mindestens eine Woche keine Wirtschaftsnachrichten mehr gelesen habe. Aber die Nachrichten waren ja auch wirklich zu mies.

Noch über neun Stunden am Flughafen. Und tatsächlich, es stresst mich gar nicht. Denn ich habe Zeit.




Und es ist gut sie zu haben. Schließlich bin ich in Begriff zwischen zwei deutlichen unterschiedlichen Kulturen zu wechseln, die beide mir weder eigen noch bekannt sind. Da kommt so ein Transfer, im fast kulturlosen Raum, gelegen.

Bin ich überhaupt schon bereit für Afrika? Die große Mutter. Indien hat mir gut getan und immer besser gefallen. Einen Monat braucht man dort. Brauchte ich dort. Um anzukommen, mich zu gewöhnen und noch ausreichend zu genießen. Es war manchmal wie Berlin für mich. Die Unruhe um mich herum macht mich ruhig. Hektik macht mich langsam. Das konnte die Hauptstadt schon bevor ich hinzog. Ein Grund warum ich hinzog. Zum Schluss war es in Berlin nicht mehr so. Aber in Indien, zwischen all diesen Tuk-tuks, ausrangierten Autos, lauten, vielen Menschen, Tieren, diesem ständigen Rumgewusel, habe ich mich erinnert. Da hast Du nur zwei Optionen: verrückt oder ruhig werden. Glücklicherweise: Ruhig werden hat geklappt.

In Kapstadt komme ich morgen mittag an. Und ja, ich denke ich bin bereit. Aufregung. Vorfreude. Und Spannung!

geschrieben: 3. Januar 2012

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