Freitag, 13. Januar 2012
I got that green light, baby
"Call me the breeze
I keep blowin' down the road
Well now, they call me the breeze
I keep blowin' down the road
I ain't got me nobody
I don't carry me no load
Ain't no change in the weather
Ain't no changes in me
Well, there ain't no change in the weather
Ain't no changes in me
And I ain't hidin' from nobody
Nobody's hidin' from me
Oh, that's the way it's supposed to be
Well, I got that green light, baby
I got to keep movin' on
Well, I got that green light, baby
I got to keep movin' on
…"
(J.J. Cale)

Knysna hat doch auch im Ort etwas zu bieten. Und zwar bei Fat Susi's Bistro. Hier gehe ich gleich zu Mittag und zu Abend essen. Zwischendrin die erwähnten Episoden. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise suche ich immer neue Lokale. Es gibt ja so viel zu entdecken. Allerdings nicht hier. Ich habs versucht. Wirklich. Ich bin straßenweit gelaufen. Aber da ich mittags ein sagenhaftes Curry bekommen habe, denke ich nach dem immer dunkler werdenden Häuserblock (wir sind aber nicht mehr in Kapstadt); "never change a winning team" und laufe zurück zu Susi. Jetzt wünsche ich mir einen Salat den es gar nicht auf der Karte gibt. Aber das ist der Lohn der Wiederkehrer. Und es gibt noch einen oben drauf. Ich bemerke schon anfangs das kleine Musikequipment in der Ecke der Terrasse. Eine Gitarre, ein Computer, ein Verstärker. Meistens wenn ich so was sehe, habe ich sehr Gutes zu erwarten. Versuche aber meine Erwartungen den Umständen anzupassen. Ich bin ja nicht in Badenheim. Und so steht auch irgendwann jemand auf, der sich später durch seine Erzählungen von seinem bald 40-jährigen Hochzeitstag und Liedern für seine Frau, als sicher über 60 rausstellt. Aber was soll's. Er hat Spaß am Singen. Kann es einigermaßen (und außerdem kommt das meiste der Musik aus dem Computer). Vertut sich nur meistens im Text. Ausnahmslos alle Lieder sind wahrscheinlich allen, sicher aber allen anwesenden bei Susi, bekannt. Mir dank meiner ausgezeichneten Ausbildung in alten Rockklassikern - in dem Fall leider - auch die meisten Texte. Der Mann hat wahrscheinlich keinen großen Bruder. Aber das macht nicht viel und ich freue mich dennoch. Vor allem über J.J. Cale: Call me the breeze. Und die wichtigste Zeile: I got that green light, baby. Trifft er zumindest textlich einwandfrei.

Und wie wahr und wie passed. "I got that green light. I got to keep moving on."

Heute ist Halbzeit. Noch 46 Tage Reise vor mir. 46 Tage Reise hinter mir. Und wenn nicht schon anfangs alles auf grün stand, dann sicher und spätestens nach dem ersten Monat.
"I keep blowin' down the road."

Na gut ein bisschen "Load" würde ich meinen sicher wieder eher über 15 Kilo wiegenden Rucksack plus Handgepäck (mit dem schweren Zeug wie Buch, Kamera und Laptop) schon nennen.
Von all dem anderen schweren Gepäck fühle ich mich mittlerweile schon gut befreit und weit entfernt.

Und wenn es doch sehr vieles gibt was ich vermisse und darunter einiges sehr stark vermisse, so freue ich mich auch, dass es noch einmal so viel Zeit ist. So viel Zeit. Und so viel für mich. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen.

Dass Port Elizabeth oder ein anderer Ort an der Gardenroute keiner für mich zum Verweilen ist, müsste schon bekannt sein. Zugegen auch etwas fies, hier einfach vorbei zu zischen und abfällige Kommentare zu machen. Zur Ehrenrettung sei vielleicht eingeschoben, dass das deutsche (es gibt ja überall auf der Welt so viele Deutsche!) Pärchen nebenan schon das dritte Jahr nach Afrika reist. Und ich denke auch genau wusste wo sie hinfahren, als sie sich im Nebenapartment eine Woche einmieteten. Alles Geschmacksache. So auch seine Badehose.

Es ist auch ganz egal. Zumindest jetzt und für mich. Denn eigentlich bin ich schon längst auf dem Sprung zu meiner Tour!
Ich bin so aufgeregt wie ein Kind das zum ersten Mal fliegen darf. Meinen Rucksack habe ich jetzt schon zum dritten Mal gepackt (sowieso ein sehr schönes, fast meditatives Ritual).
Ich bin soweit! Bin ich schon seit drei Tagen.

Ich schreibe jetzt und hier alle meine Vorbehalte gegenüber Gruppenreisen in den Wind.
Ich werde mich anständig benehmen.
Allen Melanies und Kevins die vielleicht neben mir Platz nehmen wollen freundlich und interessiert gegenüber treten.
Immer höflich sein, nicht sarkastisch.
Ich werde mich an die Anweisungen des Guides halten.
Ich werde mich freiwillig zum Spülen melden.
Ich werde nicht an mein Gruppendynamisches Training denken.
Ich werde allen wahrscheinlich 20 Teilnehmern bereitwillig immer wieder die gleiche Lebensgeschichte erzählen. (In Auszügen, aber dafür ehrlich. Meine Erfahrung weiß, dass ich nach viermal an einem Tag so gelangweilt bin, dass ich vom Pfad der Wahrheit abweichen kann..).
Ich werde mich bei der Beurteilung meiner Mitreisenden an das Treatmenthouse erinnern und daran, dass es doch wichtiger ist, dass das "Herz am rechten Fleck ist" als die zu laute oder zu schrille Aussprache oder gar der Inhalt der Sätze.
Ich werde meine Zahnpasta teilen.
Ich werde nicht über das Essen oder zuwenig Kaffee klagen.
Ich werde mit der Hitze zurecht kommen.

Ich werde es lieben!

Die Reise führt mich 15 Tage lang durch vier oder fünf Nationalparks, zwei Königreiche, ein paar Berge, ein paar Flüsse und Seen, sicher viel Steppe und zu ganz vielen Tieren!

Und ich bin ganz aufgeregt. Morgen schon geht es zu den Elefanten. Im Addo Elefant Park, so scheint es mir zumindest, ist es unmöglich keine Elefanten zu sehen. Und morgen Abend werde ich das erste Mal mein Zelt aufbauen und den Sternenhimmel bewundern (wenn ich es nicht schaffe, sogar sehr lange). Und wahrscheinlich verzweifelt umher laufen um ein bisschen Handynetz zu bekommen und nach Berlin zu telefonieren. Insgesamt gilt für diese 15 Tage: Ich bin im Busch. Mein Laptop ohne Strom. Ich weitgehend ohne Netz. Es gibt zwar zwei Städte. Eine zwischendurch, eine am Ende. Aber wer weiß.

Wenn es hier also lange keine Einträge gibt, dann bin ich draußen unterwegs und sammle und jage Nachschub an Bildern. An Eindrücken. An Erfahrung.

Und am meisten freue ich mich auf die Löwen!

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Hat jemand die Gardenroute versteckt?
Ich muss mich bei Deutschland und meinen ICE- Fenstern entschuldigen. Was sich dahinter abspielt kann an den meisten klaren Tagen locker mit der südafrikanischen Gardenroute mithalten.
Jetzt kann man natürlich einwenden, dass ich die ganze Zeit geschlafen hätte. Dass ich aus anderen Gründen schlecht drauf gewesen sein könnte. Dass der Bus eine ganz andere Strecke gefahren ist. Oder dass ich einfach keinen Geschmack habe. Wahrscheinlich stimmt alles ein bisschen, aber alles nicht ausreichend genug, um in irgendeiner Weise rechtfertigen zu können, warum die Südafrikaner so stolz auf diese "Route" sind.
Ich denke es liegt daran, dass sie selbst meistens nur so weit fahren. Es denen darüber hinaus einfach zu heiß wird. Oder weil es so schön europäisch aussieht? Oder es wurde zur WM erfunden, damit alle in der Nähe von Kapstadt bleiben. Eine große Marketingverschwörung vielleicht?

Aber von vorne. Ich bin mit meinem Taxi also zum Busbahnhof, der um diese Zeit noch keinen Ort hergab an dem man einen Kaffee hätte erstehen können. Das ist kein guter Start, aber vielleicht auch zuviel verlangt. Der Ticketschalter funktioniert allerdings einwandfrei und zügig. Bei solchen Vorgängen muss ich sagen, dass das den deutschen Standard eher übertrifft. Ebenso wie der Zustand der meisten Straßen. Was mich wieder dazu bringt, dass in Deutschland mal langsam die Maut eingeführt werden müsste. Aber das hat nun wirklich nicht viel mit der Gardenroute zu tun. Der Bus startet pünktlich. Auch kein deutscher Standard.

Dann geht es los. Ja, was geht eigentlich los? Es ist eine ganz normale Busfahrt und auch wenn ich schon gar nicht viel erwartet habe, so ein ganz kleines bisschen dachte ich schon es käme was besonderes. Ein bisschen nettes. Ab da wo die Gardenroute startet doch zumindest. Wobei ich sagen muss, dass das Rausfahren aus der Stadt eleganter war.
Okay. Da war dann vor allem viel grün. Aber nicht so viele Blumen, wie man sich so einen Garten durch den man fährt malen würde. Der deutlichste Hinweis auf den Ort sind die Schilder die mir mehrfach versichern, dass das die N2 und die Gardenroute ist. Am spektakulärsten findet mein europäisches einfältiges und vermutlich ignorantes Ich ein paar Strauße am Straßenrand. Auf ungefähr einem der über 450 Kilometer.

Und dann bin ich erst in Knysna! Selbst der Typ der mich vom Bus abholt rät mir so schnell wie möglich in den Wald oder ans Meer zu gehen. Knysna is all about it's surroundings. Aha. Macht ja Sinn. Aber ich habe immer noch kein Auto und das passt nicht richtig in meinen Zeitplan.

Deswegen versuche ich einfach zu schlafen. Das erste Mal wieder in einem Backpacker. Der wurde vom Lonely Planet empfohlen und langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich grundsätzlich alles was im LP über Südafrika steht meiden sollte. Quasi die Positivliste als Negativ sehen. Ich erinnere mich daran, dass wir das damals auch schon mal gemacht haben. In dem Versuch etwas abgelegener zu reisen und nicht immer die gleichen Gesichter zu sehen. Aber das ist 12 Jahre her und der LP über Indien hat mir auch gute Dienste geleistet. Einzuräumen ist lediglich, dass der LP zu Afrika versucht zu allen afrikanischen Ländern etwas zu schreiben (und deswegen Annes Cutter zum Opfer gefallen ist, damit ich nicht so viel tragen muss). Da kann man schon mal das beste Bistro mit dem langweiligsten verwechseln. Oder die Gardenroute mit einer echten Attraktion…

Zwei Ratgeber aus Deutschland wussten mir auch schon zu sagen: Schnell dran vorbei fahren, braucht man nicht viel Zeit für. Das kann ich nur unterstreichen.

So schnell verlasse ich dann auch Knysna wieder.
Nach einer lustigen Geschichte, in der ich mich im Bikini aus meinen als Einzelzimmer gemietetem Dorm ausschließe und eine Mitarbeiterin nach den verzweifelten Versuchen meine Tür aufzubrechen sich durch das Fenster Zugang und mir meine Klamotten zurück verschafft. Und nach der Erkenntnis, dass Südafrika im Sommer ein sehr, sehr heißes Land ist, in dem man sich immer mehrfach versichern sollte, dass die Zimmer wenigstens einen Ventilator haben. Vor allem wenn man tagsüber schlafen möchte, weil es im Bus dazu keine Gelegenheit gab. Dort werden bei Translux nämlich alle Passagiere mit christlichen Missionierungs-Promo-Pseudo-Drama-Spielfilmen belästigt. Und ich reise immer noch ohne funktionierenden MP3-Player, und fluche. Fluche weil ich mein iPhone vermisse, und fluche gegen die Filme in denen alle die ganze Zeit beten. Quasi als Gegengewicht. Das scheint mir hier deutlich aus den Fugen.

Und so bin ich auch sehr froh, als man mich morgens aus der (Gemeinschafts-)Dusche holt, um mir zu eröffnen, dass eine nette Lady gerade dabei ist nach Port Elizabeth aufzubrechen. In ihrem Auto! Halleluja! So schnell habe ich noch nie gepackt. Sie verspricht mir, dass wir nicht über Gott reden müssen (sie ist noch nicht mal Christin). Wunderbar! Mavis ist ziemlich gut drauf und voller Tatendrang. Eine schwarze Dame mittleren Alters mit vier erwachsenen Kindern. Sie gibt momentan Unterricht in Knysna für Leute die sich zu so etwas wie Pflegern ausbilden lassen. Außerdem gibt sie aber auch Kurse zu Aids, Kurse zu Management, Selbstdarstellung und zu erster Hilfe - alle Level. Jetzt will sie noch eine NPO gründen und den ganzen Leuten die vor ihrem Viertel rumhängen und auf Arbeit warten, Handarbeit verschaffen. Damit sie sich nicht so langweilen. Und auch damit sie sich selbst ein bisschen helfen können. Mavis findet Suppenküchen doof. Sie will die Leute nicht füttern, sie will das sie was dafür tun. Klar, pragmatisch, richtig. Keine Frage. Leider weiß sie gar nicht wie das geht und wie man jetzt an Gelder kommt. Ich schlage ihr einen Kurs vor, aber ich bin nicht sicher ob sie mich versteht. Lachen tun wir auf jeden Fall beide. Neulich hat sie jemand angerufen, aber sie hat die nicht verstanden. Vielleicht seien das Deutsche gewesen. Ob das nicht sein könnte. Fragt sie mich. Schließlich bin ich als Deutsche Expertin für alle europäischen Verbindungen. Falls es europäische waren. Leider weiß ich es nicht, und auch nicht wie man jetzt von einem Mietwagen zwischen Knysna und PE an Fördermittel aus Deutschland kommen könnte. Ich fange an ihr von der deutschen und auch europäischen Bürokratie der Förderungen zu erzählen, lasse es aber schnell. Vielleicht hat ja wirklich jemand aus Deutschland angerufen. Kann doch sein. Ich habe auf jeden Fall jetzt auch ihre Nummer. Vielleicht rufe ich sie ja mal an und weiß dann mehr.

Jetzt bin ich in Port Elizabeth. Der Endstation der Gardenroute. Und wie könnte es nach den bisherigen Beobachtungen anders sein: Genauso fühlt es sich auch an.
PE ist so schlicht, so einfach, so gewöhnlich, dass noch nicht mal ich es schaffe mich darin zu verlaufen. Und das enttäuscht mich ehrlich. Aber auch hier gilt, was schon für die vorangegangenen Zeilen gilt. Ich habe sicher kein umfassenden Recht das zu beurteilen. Denn ich habe ja kein Auto. Alles hier fühlt sich an wie eine Kleinstadt in Florida. Die Trailerparks fehlen. Aber eins ist genau gleich: Ohne Auto ist man gar nichts. Sieht man gar nichts. Macht man gar nichts. Heute bin ich 20 Minuten durch die Sonne (nach einem Sturm mit Blitz und Regen gestern Abend ist es heute wenigstens bedeckt und nicht ganz so mörderisch heiß) gelaufen, um an einer Strandpromenade ein Café zu finden. Um dort etwas schlechtes zu essen. Wäre ich bloß im Hotel geblieben! Das ist nämlich nett. Mehr ein Einfamilienhaus mit Gästezimmeranbau, aber einem Garten, einem Pool und mittelprächtigem Internet. Aber zum netten Ehepaar und noch ein paar wenigen Gästen gehören eine Katze und ein Hund. Und ein Hund macht ja bekanntlich jeden Garten besser. So fühle ich mich auf meiner kleinen Terrasse wohl und habe den Ort gefunden den ich brauche um die nächsten Schritte vorzubereiten. Mehr als das und einen Supermarkt (zu dem ich von Margarete der Besitzerin hingefahren wurde) hatte ich von PE gar nicht wirklich erwartet. Damit sind wir wahrscheinlich quitt. Port Elizabeth und ich.

Nichts an diesem Ort inspirierte zu Bildern. Deswegen gibt es auch keine.

geschrieben am 12.01.2012

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